Meine Erfahrung mit dem Einsatz eines Gefühlsbarometers in einer Kindergartengruppe und wie daraus ein festes Morgenkreis-Ritual entstanden ist.
*Werbung (unbeauftragt und selbst finanziert)
In der Weiterbildung zur systemischen Beraterin entdeckte ich das Gefühlsbarometer, welches im Rahmen einer Intervisionseinführung vorgestellt wurde. Ich fand es toll, bestellte es und legte es zu all den anderen nützlichen Dingen für die Beratungspraxis. Nach ein paar Jahren entdeckte ich es wieder und fand es ziemlich schade, noch keine Gelegenheit gehabt zu haben, es einzusetzen und nahm es einfach mal mit in die Kita, in der ich damals tätig war.
Im nächsten Morgenkreis stellte ich das Gefühlsbarometer vor.
Reihum konnte es von jedem Kind begutachtet, befühlt und natürlich gleich ausprobiert werden. Die Kinder fanden große Freude daran, die kleine rote Perle hin- und herzubewegen und freuten sich über Zuhörer, während sie erzählten, was sie gerade beschäftigt. Von da an war das Gefühlsbarometer unser Morgenkreisbegleiter.
Der Kita-Alltag bietet traurigerweise nicht annähernd genug Gelegenheiten, jedem Kind ein offenes Ohr zu schenken. Mit dem Gefühlsbarometer-Gesprächskreis entwickelte sich jedoch ein Ritual, welches mir genau dies ermöglichte - jedem Kind eine Erzählzeit mit meiner Aufmerksamkeit einzuräumen. Ich erfuhr, was sie beschäftigt und welche Themen aktuell eine wichtige Rolle spielen. Einige Projektthemen nahmen ihren Anfang in den Gefühlsbarometer-Gesprächsrunden. Das Erzählte von belastenden Erlebnissen half mir und meinen KollegInnen, einfühlsamer auf die Kinder einzugehen und sie bei Themen, wie Krankheit, Angst, Wut, Trennung, Trauer gezielt zu begleiten.
Aller Anfang war schwer. Die Kinder brauchten eine Weile, um sich ans neue Morgenkreis-Ritual zu gewöhnen.
Meine KollegInnen und ich waren in den ersten Tagen ziemlich häufig damit beschäftigt, darauf hinzuweisen, dass nur das Kind mit dem Gefühlsbarometer in der Hand spricht. Auch mussten wir in der Anfangszeit hin und wieder schmunzeln, wenn bereits das fünfte Kind hintereinander davon berichtete, wie glücklich es darüber war, am Nachmittag mit Papa ein Eis essen zu gehen. :) Wir ließen die Antworten der Kinder unkommentiert und konzentrierten uns auf die Tatsache, dass ihnen das Gefühlsbarometer hilft, von Gefühlen und Erlebnissen zu berichten, auch wenn sie nur geäußert wurden, weil es die beste Freundin nebenan auch äußerte oder weil sie aus einem Wunschgedanken heraus entstanden. Die Sprechfreude stand für uns im Vordergrund. Um die Kinder darin zu unterstützen, eigene Gedanken zu äußern, fragten wir "Und was noch?" und erhielten nach kurzem Überlegen eine andere, eigene Antwort. Hier konnten wir unsere Vorbildfunktion sehr gut einsetzen und nahmen an den Gesprächsrunden teil - sehr zur Freude der Kinder.
Und dann - nach und nach - wurden wir für unsere Geduld belohnt.
"Ich bin glücklich, weil mein Freund wieder gesund ist und ich endlich wieder mit ihm spielen kann."
Wir setzten das Gefühlsbarometer anfangs jeden Tag, später einmal in der Woche ein. Reihum konnte jedes Kind berichten, ob es heute glücklich oder traurig war und welchen Grund das hatte. Konnte sich ein Kind nicht entscheiden, hatte es die Möglichkeit, die Perle in die Mitte des Barometers zu schieben. Wenn es nichts erzählen wollte, gab es das Barometer an das nächste Kind weiter.
Die Antworten wurden zunehmend vielfältiger. Sie fingen an, sich Gedanken über ihr aktuelles Befinden zu machen und zeigten viel Freude daran, diese mit uns
zu teilen. Sie hielten sich zunehmend an die vereinbarten Gesprächsregeln und konnten sich länger konzentrieren. Sie freuten sich mit anderen Kindern, wenn diese von fröhlichen
Erlebnissen, wie einem Schwimmbadbesuch, einem neuen Spielzeug, einer Vorfreude auf das Lieblingsgericht, welches zum Abendessen auf sie wartet, berichteten und äußerten Mitgefühl, wenn
Kinder über Trauriges, wie einen Konflikt am Morgen, eine Verletzung, einen Albtraum, einen Autounfall, eine Krankheit, den Tod eines Haustiers oder sogar eines Familienmitglieds
sprachen. Im weiteren Tagesverlauf konnten wir sogar beobachten, wie sie auf ein Kind, welches weinte, eingingen und es fragten, ob es immer noch traurig sei.
Das Gefühlsbarometer erwies sich als eine hilfreiche Methode, Kinder in ihrer sozial-emotionalen Kompetenz zu stärken.
Besonders wichtig ist ein sorgsamer Umgang mit den Aussagen der Kinder. Hierzu ein Beispiel: Ein Kind berichtet im Gesprächskreis, es sei traurig, weil Mama und Papa sich gestritten haben, der Papa eine neue Freundin hat, die Oma im Krankenhaus ist, die Mama eine neue Arbeit hat. Oder es sei glücklich, weil es bald in ein neues Haus umzieht, die Mama ein Baby im Bauch hat, oder oder oder... Diese Informationen, die das Kind preisgibt, können durchaus sehr sensible Daten beinhalten. Wenn Eltern dann gefragt werden, ob Sie Informationen über die örtlichen Paarberatungsstellen brauchen (natürlich sehr überspitzt gesagt), ist dies äußerst kontraproduktiv und zum Nachteil aller Beteiligten. Womöglich provoziere ich, dass das Kind für seine Ehrlichkeit und seine Gefühlsäußerung gerügt wird, mit der Folge, dass es sich in den nächsten Gesprächsrunden nicht mehr beteiltigt.
"Hier werde ich gesehen. Hier ist Platz und Raum für meine Gefühle. Hier darf ich sagen, was mich beschäftigt und erhalte Unterstützung, wenn ich sie brauche."
In meiner Funktion als Erzieherin helfen mir die Äußerungen der
Kinder, besondere Verhaltensweisen aus einer anderen Sicht zu betrachten, Aktionen und Angebote gezielter zu planen, Themen der Kinder für Projekte zu verwenden und mich intensiver auf ein
Elterngespräch vorzubereiten. Am allerwichtigsten aber ist es, den Kindern eine direkte Rückmeldung zu geben, dass ihre Gefühle ernstgenommen werden, eine Daseinsberechtigung haben und nicht
mit "Das ist doch nicht schlimm, da musst du nicht traurig sein." abgetan werden: "Deine Oma wohnt sehr weit weg, da kann ich verstehen, dass du dich so sehr auf ihren Besuch freust!" oder
"Als meine Katze gestorben ist, war ich auch sehr traurig und musste weinen." oder "Dass du auf ... wütend bist, verstehe ich. Du hast sehr lange gebraucht, deine Tiefgarage zu
bauen."
Eine geschützte Umgebung, in der Kinder offen und ehrlich über Gefühle, Gedanken und Sorgen sprechen dürfen, dient ihrer seelischen Gesundheit.
Immer mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene leiden unter Erschöpfungszuständen, dem Burnout-Syndrom oder erkranken an einer Depression - Tendenz steigend. Je mehr Artikel ich zu diesem Thema lese, desto größer wird mein Wunsch, Kinder in ihrer sozial-emotionalen Entwicklung zu begleiten und ihnen stärkende Ressourcen mit auf den Weg zu geben - damit sie lernen, ihre Gefühle zu äußern und Selbstvertrauen entwickeln, "STOP" zu sagen, wenn sie Überforderung spüren und Lösungen entwickeln, wie sie mit belastenden Situationen umgehen können - und das so früh wie möglich.
Ich habe das Gefühlsbarometer bereits in vielen Einrichtungen eingesetzt und hoffe sehr, dass ich Dich mit meinem Erfahrungsbericht ebenfalls motiveren kann. Ob Du nun ein Gefühlsbarometer verwendest, Wäscheklammern an Gefühlskarten anbringen lässt oder eine andere Methode für Dich entdeckst, ist völlig gleich. Habe Mut, Deine Kinder in diesem wichtigen Entwicklungsbereich zu begleiten und sei gespannt, was sie Dir zu erzählen haben. Das Gefühlsbarometer oder der Gefühls-Regler, mit dem ich arbeite, findest du im BuKaMa - Onlineshop für systemische und pädagogische Arbeit.
*Dieser Praxistipp wird als Werbung markiert. Ich habe den vorgestellten Artikel selbst gekauft, in der Praxis ausprobiert und möchte ihn Dir weiterempfehlen. Ich stehe in keiner Partnerschaft zum oder erhalte Produktionshilfe vom Hersteller.