Mutter- und Vatertag in der Kita

Ein Beitrag über einen sensibleren Umgang mit dem Mutter- und Vatertag in der Kita mit Reflexionsfragen für die Teamsitzung

Am kommenden Sonntag ist Muttertag, bald darauf ist Vatertag. Das bedeutet für die allermeisten Kitakinder: Es gibt viel zu tun. ;) Um den Müttern und Vätern eine kleine Freude zu bereiten, lassen sich die Pädagog*innen gemeinsam mit den Kindern oder meist stellvertretend für die Kinder was Besonderes einfallen. Und mitten in den Vorbereitungen kommt mir ein Gespräch mit dir, liebes Kindergartenkind in den Sinn, welches wir zwei vor einigen Jahren beim Schneiden und Falten des Geschenks für deine Eltern geführt haben.

 

In diesem besagten Jahr bereiteten wir für deine Mama, deinen Papa und die anderen Eltern Glückskekse aus Papier vor. Und so setzten wir zwei uns an den Tisch, um die Kreise auszuschneiden und zu überlegen, was ich stellvertretend für dich in die Kekse reinschreiben soll. Ich fragte dich: "Sag mal, hast du schon eine Idee, was in den Keksen stehen soll? Gibt es etwas, was deine Mama gut kann? Was ihr zwei einmal erlebt habt? Oder möchtest du ihr für etwas Danke sagen?"

 

Da musstest du nicht lange überlegen! Du wusstest eine ganze Menge und schnell waren zahlreiche Glückskekse für deine Mama gefüllt. Dann sagte ich: "Ok, das ging ja schnell! Jetzt kommen die Kekse für deinen Papa dran. Was kann ich für den Papa reinschreiben?" Du sagtest erst einmal nichts. Du sahst sehr nachdenklich aus, ich ließ dich überlegen. Nach einer Weile sagtest du: "Ja, wir haben da ein Spiel, das hat der Papa mal mit mir gespielt. Das heißt 'Schnappt Hubi' und das ist ganz schön lustig! 'Danke, dass du das Hubispiel mit mir gespielt hast.' kannst du reinschreiben." Als ich das notiert habe, fragte ich dich, ob dir noch was einfällt.

 

Wieder ein nachdenkliches Gesicht. Wieder ließ ich dich eine Weile überlegen, stellte hier und da eine Frage, schlug was vor. Doch du warst von keiner meiner Gedankenstützen begeistert. Du wurdest immer stiller, sahst ganz verlegen hin und her und als ich dich nochmal fragte, sagtest du: "Hm, ich weiß nichts mehr." Hier hätte ich dir sicherlich Druck machen können. Ich hätte so etwas, wie "Das ist aber schade! Überleg doch mal! Streng dich doch mal an! Dein Papa macht doch bestimmt was Schönes mit dir! Er würde sich auch über Glückskekse freuen! Dein Papa wird sicher traurig sein, wenn er nur einen Glückskeks bekommt. Dann müssen wir halt später weitermachen, wenn dir was eingefallen ist."

 

Nein. Ich ließ dir Zeit zu überlegen, bis du Folgendes sagtest:

 

 

"Das ist ganz schön schwer. Weil der Papa gar nichts mit mir macht. Der hat keine Zeit."

Als ich dich so sah, wurde ich ziemlich traurig. Mir wurde bewusst, wie schwierig es für dich gewesen sein musste, hier zu sitzen und das zu tun, was die meisten anderen Kinder getan haben: Glücklich und fröhlich über dies und das zu plaudern, was sie mit ihrem Papa erlebt haben und worfür sie ihm danken wollten.

 

Dass deine Eltern getrennt leben, wusste ich. Doch mir war nicht bewusst, wie schwer es dir fallen würde, darüber zu sprechen und das Vatertagsgeschenk vorzubereiten. Also dachte ich blitzschnell um und sagte zu dir: "Oh das glaube ich dir! Weißt du, ich habe eine Idee! Wollen wir vielleicht für die restlichen Glückskekse ein paar Wünsche aufschreiben? Und Wunschkekse draus machen? Dann könntest du dir etwas wünschen, was du mit Papa gern einmal machen willst und er kann es am Vatertag lesen. Wäre das besser?"

 

Und siehe da: ich hatte deine freudige Aufmerksamkeit wieder zurück. Du konntest blitzschnell ein paar Wünsche nennen und musstest nicht mit einem mulmigen Gefühl aus dieser Bastelaktion "entlassen" werden.

 

 

Gedanken zur Selbstreflexion und für einen Austausch in der Teamsitzung

Diese eine Situation konnte ich zwar einigermaßen retten. Doch ich hätte mich wesentlich besser gefühlt, wenn ich das Kind gar nicht erst in diese Situation gebracht hätte. Woher können wir wissen, wie gut die Beziehung zwischen den Kindern, die wir begleiten und ihren Müttern und Vätern ist? Wie können wir pauschal annehmen, dass alle Kindergartenkinder ihren Eltern gerne etwas schenken möchten? Und genau DAS schenken möchten, was wir uns für sie ausgedacht haben?

 

Gar nicht. Ein Geschenk zum Mutter- und Vatertag zu gestalten sollte wie so vieles in einer pädagogischen Einrichtung ein freiwilliges und individuelles Angebot sein. Und wenn auch du dir beim Lesen meines Beitrags gedacht hast: "Ja, warum zum Teufel stressen wir uns da eigentlich Jahr für Jahr rein? Wem bringt das überhaupt etwas? Und wie kann ich es in Zukunft besser machen?" Dann möchte ich dir ein paar kurze Reflexionsfragen mitgeben, die du für dich, in deinem Gruppenteam oder mit all deinen Teamkolleg*innen beantworten kannst.

 

  1. Welchen Stellenwert hat der Mutter- und Vatertag für dich/euch ganz persönlich und in deiner/eurer eigenen Familie?
  2. Welche Familienformen gibt es in deiner Gruppe? Werden Kinder durch die Aktion unbewusst oder sogar bewusst ausgegrenzt? (Adoptivkinder; Kinder mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen; Kinder, die zu einem Elternteil wenig bis keinen Kontakt haben; Kinder, die ihre Mama/ihren Papa gar nicht kennen; Kinder, deren Elternteil schwer erkrankt oder gar verstorben ist; Kinder, deren Beziehung zu einem Elternteil sehr konfliktbehaftet ist)
  3. Wie wichtig ist deinen Kita-Eltern, an diesem Tag etwas von ihren Kindern mit nach Hause zu bekommen? Wurden sie dazu befragt?
  4. Wie wichtig sind diese beiden Tage aus der Sicht der Kinder in deiner Gruppe?
  5. Wer sucht das Geschenk aus, das gefertigt werden soll? Wer gestaltet es?
  6. Haben die Kinder die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen und selbst zu entscheiden, ob sie etwas für ihre Eltern basteln oder herstellen möchten?
  7. Gibt es beschämende und/oder abwertende Reaktionen auf Kinder, die sich nicht beteiligen? Hören sie Sätze, wie "Da wird die Mama aber sehr traurig sein, wenn du ihr kein Geschenk bastelst."?

Sicher fallen dir und deinem Team weitere Fragen dazu ein, die euch bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema helfen können, vom "Das haben wir schon immer so gemacht! Und es gehört sich einfach!" wegzukommen und die zukünftigen Mutter- und Vatertage ein klein wenig anders zu gestalten. Für dieses Vorhaben wünsche ich dir ganz viel Mut, denn:

"Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben." Friedrich Hebbel